Liebe Mitglieder des Vereins VIA CORDIS
Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten
Es herbstet. Vor drei Monaten haben wir uns bei sommerlichen Verhältnissen in Loccum zur Lehrendentagung mit anschliessenden Vertiefungstagen getroffen. In drei Berichten versuchen wir, diese speziellen Tage nochmals in Erinnerung zu rufen, oder für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten, ein Stimmungsbild zu malen.
Im vierten Beitrag kommt Brigitta Möhrle-Kümin als Ansprechperson des Anerkennungsgremiums zu Wort.
Wunderbare Tage in Loccum
Rückblicke auf die VIA CORDIS Lehrendentagung und Vertiefungstage im August 2023 in der Evangelischen Akademie Loccum
Einführung in die Tiefenökologie - Freundschaft schließen mit dem Unbekannten
René Schaufelberger
«Von jeder Arglist und Geschäftigkeit befreit, möge meine Seele sich im Schweigen sammeln und sich in die Betrachtung des Göttlichen versenken. (...)»
Mit diesen Worten Plotins wurden die aus allen Himmelsrichtungen angereisten Teilnehmenden im Friedensgebet am Donnerstagabend eingesammelt. Wer nun etwa eine Wohlfühltagung erwarten sollte, wurde tags darauf eines Besseren belehrt.
In schnellen Schritten wurden wir von Anne Beer, Ethnologin und Friedensarbeiterin mit langjähriger Erfahrung, in Theorie und Praxis der Tiefenökologie eingeführt. Anne Beer ist selber eine Schülerin von Joanna Macy, die im Laufe der letzten Jahrzehnte massgeblich an der Entwicklung einer tiefenökologischen Handlungspraxis mitgewirkt hat.
Es geht nicht weniger und nicht mehr als um die grosse Frage: «Wie kann der Mensch mit allem Leben auf der Erde, mit der umfassenden Natur, wieder Eins werden, ohne Ausbeutung, ohne Zerstörung?». Im weiteren Sinne geht es auch um die Vision eines gerechten und friedfertigen Zusammenlebens, um ein Heilwerden insgesamt.
Wir wurden eingeführt in einen Lernprozess, der sich in vier Schritten vollzieht: Dankbarkeit – Unseren Schmerz um die Welt würdigen – Die Welt mit neuen Augen sehen – Weitergehen und Handeln. Dieser Prozess wird auch in einer Spirale dargestellt. Es geht also um eine ständige, fortlaufende Vertiefung.
Gekonnt hat Anne Beer die grosse Schar der rund 70 Teilnehmenden zu den Übungen angeleitet. Die Übungen waren emotional berührend. Oft entstand eine dichte, ja bedrückte Atmosphäre im Raum. Etwa als es darum ging, unseren Schmerz um die Welt zu würdigen. In grossen Kreisen standen wir zusammen, reichten uns eine mit Wasser gefüllte «Schale der Tränen» und teilten miteinander unseren Schmerz, unsere Trauer. Wobei sich unversehens ganz persönlicher Schmerz mit dem Schmerz um die Welt mischten.
So schnell gingen wir von Übung zu Übung, dass wohl manchmal der Raum und die Zeit fehlte, um aufzufangen, was ausgelöst wurde.
Umso wichtiger war der spontane Austausch zwischendurch und danach.
In einem Abschiedsritual draussen am Feuer brachten wir zum Ausdruck, dass wir bereit und befähigt sind, uns zu wandeln, dass wir eine Vision einer geheilten Welt in uns tragen. Wir sind es, die handeln. Wir sind die Hoffnung. Wir beginnen ein Abenteuer. Den Ausgang der Reise kennen wir allerdings nicht.
Der Tag mit Anne Beer war fordernd – vielleicht zuweilen überfordernd. Es war hilfreich für mich, vorgängig schon das Buch von Joanna Macy «Hoffnung durch Handeln» gelesen zu haben. So konnte ich eintauchen und wirken lassen, was da kam. Für mich war es eine ausserordentlich intensive und bereichernde Erfahrung.
Erfüllend waren auch die kommenden Tage mit den tollen Workshops, mit heiteren und ernsten Gesprächen zwischendurch und bis spät in die Nacht bei Kaffee oder Wein.
Wunderbar waren die Morgenandachten in der Klosterkirche, gehalten von Yvonne Lehmann. Oder etwa das spontane zusammen Singen von «Liedern, die mein Herz aufatmen lassen» mit Magda Lucas.
Zum Abschluss der Tagung am Sonntag feierten wir ein schlichtes, berührendes Abendmahl mit den Worten aus dem Schöpfungspsalm 104:
«Lobe DIE EWIGE, meine Seele!
Du bist schön und prächtig geschmückt.
Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich;
die du das Erdreich gegründet hast auf festen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich.»
Wenn ich an Loccum denke
Maren Kujawa
dann denke ich an uns in der Morgenfrühe still gehend auf dem alten Pilgerweg vorbei an Scheune, Wald und alten Mauern. Ich denke an unseren Gesang, in der Klosterkirche, der bei unserer Andacht bis in das Gewölbe stieg.
Ich denke an unsere Gemeinschaft von Gleichgesinnten, Weggefährt*innen, Herzensmenschen, an Umarmungen mit lange nicht Gesehenen, und kleinen, feinen neuen Begegnungen. Ich denke an den anregenden Austausch in Kleingruppen und die Möglichkeit zur Intervision. An das Zusammenkommen von Wissen, Weisheit, Erfahrung, den unterschiedlichsten Begabungen und leuchtenden Augen.
Ich denke an die Referentin Anne Beer und die tiefen Prozesse, die sie uns ermöglicht hat. Vor allem an das Thema `Schmerz wahrnehmen’ denke ich. „“Wenn wir den Schmerz, den wir erfahren, nicht fühlen, ist die Gefahr der Apathie, des Abstumpfens groß“, so habe ich das verstanden. Ich denke an den Kreis, den wir bildeten – in der Hand eine Klangschale mit Wasser - und unseren Schmerz mit den Worten teilten: „Ich halte diese Schale. Es sind meine Tränen. Sie fließen für... “ So hörten wir einander zu, von deinem und meinem Schmerz. Das war heilsam.
Wenn ich an Loccum denke, denke ich an eine Tagung mit Menschen, die mir Mut machen, mich in die eigene Tiefe führen, zusammen mit mir auf dem Weg sind, verbunden auf dem Weg des Herzens.
VIA CORDIS Vertiefungstage im Schweigen: Herz Qi Gong und Herzensgebet
Jürg Stäheli
Anschliessend an die Lehrendentagung fanden unter der kundigen Leitung von Irmgard und Wolfgang Lenk die Vertiefungstage mit 43 Teilnehmenden statt. Das Thema der Tage lautete:
... stark werden am inwendigen Menschen, dass Christus in unseren Herzen wohne und wir in der Liebe eingewurzelt und gegründet sind. nach Epheser 3,16f
Besonders an diesen Tagen war die Kombination von dem für uns alle vertrauten Sitzen in der Stille mit dem Herz Qi Gong, «der harmonischen und ganzheitlichen Bewegung mit gleichzeitiger Regulierung von Geist, Körper und Atmung». Irmgard leitete uns täglich während zweimal 11⁄2 Stunden in Herz Qi Gong an. Für mich als Bewegungsmuffel war das eine echte Herausforderung, aber auch eine Offenbarung. Die von Irmgard so leicht vorgezeigten Bewegungsabläufe waren, wenn auch weniger leicht und selbstverständlich, nachzumachen. In den drei Tagen entwickelte sich eine bescheidene Form der aufmerksamen Gewohnheit. Kombiniert mit der Sitzmeditation schien sich der Effekt noch zu verstärken. Nicht zuletzt weil Irmgards Anleitung mit sehr wenigen Worten auskam, schienen Wolfgangs kurze theologische Anstösse und Reflexionen auf umso fruchtbareren Boden zu fallen. Diese Form der sich ergänzenden Anleitungen erschien mir als absolut stimmig.
Die letzte Qi Gong Einheit, draussen auf der Wiese, unter ausladenden Ästen eines grossen Baumes, im spätsommerlichen Sonnenschein, bleibt mir als ein VIA CORDIS Edelstein in lieber Erinnerung.
Dank
Im Namen des Vorstand Danke ich an dieser Stelle nochmals für die sorgfältig gestaltete und äusserst anregende Tagung und die anschliessenden Vertiefungstage der Vorbereitungsgruppe Maike Ewert, Matthias Hoyer, Irmgard Nauck und Gabriele Siemers, den beiden Lehrenden Irmgard und Wolfgang Lenk, und allen Helfenden im Hintergrund von ganzem Herzen.
Unsere neue Ansprechperson für das Anerkennungsgremium:
Brigitta Möhrle-Kümin
Jürg Stäheli: Als Mitglied des Anerkennungsgremiums hast Du Dich entschlossen, die Funktion als Ansprech- person für Zertifizierungsfragen zu übernehmen. Was hat Dich dazu motiviert diese Aufgabe zu übernehmen?
Brigitta Möhrle: Ich empfange und begrüsse gerne Menschen. Ich schreibe gerne und schätze dabei, in Ruhe meine Gedanken zu formulieren. Da erlebe ich mich in einem guten Fluss. Am meisten hat mich aber die Gruppe motiviert, sie glaubte an meine Fähigkeiten und ermutigte mich, diese Aufgabe zu übernehmen. Es ist für mich schön und wertvoll, mit andern VIA CORDIS Menschen etwas zu erarbeiten, Einblick in die Entwicklung von VIA CORDIS zu haben und meinen Beitrag einzubringen.
JSt: Gibt es noch weitere Aufgaben, die Du in unserer Organisation wahrnimmst?
BM: Nach dem Verkauf des Dorothea-Hauses im Flüeli-Ranft (2017) entstand eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag, die Schweizer Mitglieder miteinander zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass ca. alle drei Jahre eine Regionaltagung Schweiz organisiert wird. Die Mitarbeit im Vorbereitungsteam dieser Tagung erlebe ich als anregend und bereichernd.
Als Ansprechperson für die Mitglieder der VIA CORDIS Schweiz, bin ich im Rahmen der Palaver der Regionen, zusammen mit Susanna Pfister und Nicole Follonier, Sprecherin für die Region Schweiz.
JSt: Seit wann bist du Mitglied von VC?
BM: Ich bin seit 2014, dem Ende meiner zehnjährigen Schulung, Mitglied von VIA CORDIS.
JSt: Was macht Dir in Deinem Leben neben der VIA CORDIS noch Freude, bzw. ist Dir wichtig?
BM: Ich bin gerne in der Natur unterwegs: alleine, mit meinem Mann oder mit Freundinnen. Im Gehen erlebe ich Stille und Geborgenheit, aber auch das Fliessen meiner Worte und Gedanken im Gespräch mit Menschen. So fühle ich Verbundenheit. Zeit haben und Anteil am Leben anderer Menschen nehmen, ist mir wichtig. Ich liebe Blumen und könnte nicht ohne sie sein. Mit meinen 5 Enkelinnen kommt meine Spielfreude zum Zug. Seit drei Jahren spiele ich Altflöte und geniesse die Freude am Üben und später aufs Zusammenspielen.
JSt: Was für Erfahrungen hast Du in Deinem ersten Jahr als Ansprechperson gemacht?
BM: Die fliessende Übergabe durch Ursula Ruoff, meiner Vorgängerin, war sehr unterstützend. Ich bin gut eingestiegen und hoffe, dass die Antragsstellenden mit mir zufrieden waren. Ich habe eine Bitte: Ich bin froh, wenn die Anträge frühzeitig eingereicht werden, damit ich sie in Ruhe auf ihre Vollständigkeit überprüfen, und sie den anderen Mitgliedern des Anerkennungsgremiums zustellen kann. Das Anerkennungsgremium tagt jeweils vor der Lehrendentagung im Sommer und per Zoom anfangs Februar. Eingabetermin sind Ende November oder Ende Mai. Alle Informationen betreffend Zertifizierung bei VIA CORDIS findet man auf der Webseite unter Schulungen. Bitte ganz nach unten scrollen.
Für Fragen bin ich per Mail: moehrle.brigitta@bluewin.ch oder per Tel.: +41 (0)44 764 00 15 erreichbar. JSt: Danke Brigitta, für Deine Ausführungen und weiterhin viel Freude an Deinem Engagement für VIA CORDIS.
Zum Schluss
Nach diesem reichen Sommer kommt nun der Herbst, die Erntezeit. Der Vorstand wünscht Euch allen im Rückblick auf dieses Jahr eine reiche Ernte und in der kommenden, stilleren Jahreszeit genügend Räume, damit Ihr die vielfältigen Eindrücke und Erfahrungen verdauen und integrieren könnt.
Mit herzlichen Grüssen Jürg Stäheli
Daten / Termine
• KW 38/23: Versand der Einladung für das PdR-IV
• Do 23. November 2023: 4. Palaver der Regionen, von 19:00 – 21:00 Uhr
• KW 50/23: Versand des Weihnachts-Newsletters
• Do 22. – So 25. August 2024: Lehrendentagung in Kirchberg/D
• So 25. – Do 29. August 2024: Vertiefungstage in Kirchberg/D